Assoziative Schnitte
In Liebfrauentheater-Stücken wird weder die klassische Inhalts-
noch die klassische Rollen-Logik vertreten.
Stattdessen werden häufige
Rollenänderungen bei ein und derselben SchauspielerIn sowie inhaltliche
Sprünge zugelassen.
Die logische Struktur dieser Wechsel ist assoziativ
und emotional nachvollziehbar.
Strukturales Hilfsmittel der Inszenierung
sind Schnitte, wie sie aus dem Film bekannt sind.
Auf diese Weise setzen sich die Stücke zusammen wie etwa Gemälde mit pointillistischer Maltechnik.
Schnitt-Tempo und Schnitt-Rhythmus werden wie im Film zu wesentlichen Bestandteilen
der Inszenierung.
Wir nennen das Theater der Assoziativen Logik.
Strenge Form – hohe Abstraktion – Intellektuelle Stoffwahl
Schauspielerische Grundlage von Liebfrauentheater-Stücken ist
der Mut, Privates und Persönliches öffentlich zu machen.
Eine Entdeckungslust im Bereich des Emotionalen wird hierbei ebenso
vorausgesetzt wie die Einsicht, daß lebendiges Theater seinen
Ausgangspunkt im Menschsein hat und nicht in formalen Klammern.
Körperlich denken und expressiv spielen scheint
uns auf der Bühne wichtiger zu sein als die Entwicklung philosophischer Systeme.
Dies ist keineswegs eine Absage an eine strenge Formalstruktur,
eine hohe Abstraktion oder eine intellektuelle Stoffwahl.
Modernes Theater ohne diese drei Grundpfeiler ist ohnehin undenkbar.
Fremdgesteuerte (entweder durch Regie oder Stück-Anlage)
Schauspielermarionetten sind unerwünscht,
erwünscht sind dagegen talentierte KünstlerInnen, die zum Anfangen bereit,
aber keine AnfängerInnen sind.
A-Historizität
Im Zweifelsfall wird die große, perfekte oder monumentale Form
zugunsten der seelischen Präsenz fallengelassen.
Mit anderen Worten:
Wo der Takt (Kopf) die Rhythmik (Leib) behindert, dort lieber
Rhythmen und Irrationalismen.
Der Anspruch, Denkmäler zu setzen, wird zugunsten
des Momentan-Flusses fallengelassen.
In diesem Sinn ist die Ästhetik des Liebfrauentheaters auch weiblich;
zugespitzt ausgedrückt:
Männer wollen Denkmäler errichten, Frauen gebären Kinder.
Konsequenterweise
sind Liebfrauentheater-Stücke grundsätzlich a-historisch, und zwar
trotz möglicher Verwendung historischer Vorlagen.
Liebfrauentheater-Produktionen
haben den Anspruch, zu ent-täuschen
und zu ent-tarnen.
Sie sind angriffslustig, lebensfroh,
unsicher, selbstbewußt,
intellektuell, sensibel,
depressiv, ratlos,
jauchzend, farbenbewußt,
formenkonkret, zerstörerisch,
liebevoll und sexuell.
Darüberhinaus sind Liebfrauentheater-Stücke komponiert, also in
erweitertem Sinne Musik.
Nicht-Technische Stückanlage
Die Bühne der Liebfrauentheater-Stücke liegt tendenziell »unten«,
frontal, zentralperspektivisch, eingebettet in die Gesamtraum-Situation.
Weniger ist an eine Ich-Sage-Und-Du-Schweige-Guckkastenbühne gedacht.
Das Bühnenbild läßt der »lieben Frau«
eine Chance, »erschlägt« also
nicht die SpielerIn, sondern verschmilzt
mit ihr, indem es be-spielbar ist.
Ausstattungstheater, Bühnenbild-Materialschlachten oder Technik-Olympiaden
finden nicht statt, und zwar aus der Einsicht, daß diese Schlacht zugunsten
des Films schon seit Jahrzehnten verloren ist.
Die Technik im Liebfrauentheater
beschränkt sich somit auf das Notwendige.
Liebfrauentheater-Stücke sind mitunter selbstgesetzte und bewußte Überforderungen
der beteiligten KünstlerInnen unter Annahme folgenden Axioms: